01.09.2016

Kanada – Indian Summer in Ontario

Blauer Himmel, sanfte Wärme, glasklare Seen, umgeben von Bäumen, die in einem Farbenmeer rauschen. Kanufahrer, die lautlos über das Wasser gleiten. Und ein Elch schaut vom Ufer aus zu. Das ist Indian Summer in Kanada.

Ende September beginnt an der Ostküste Kanadas der Indian Summer. Überall säumen die in den schönsten Farben leuchtenden Laubbäume den Weg. Das unvergleichliche Farbenmeer, das nur durch das dunkle Grau der Straße unterbrochen wird, begleitet uns auf den Highways 417 und 60 von Ottawa in das Madawaska Kanu Centre in Barry’s Bay. Das auf der Canadian Canoe Route gelegene Resort wird von Claudia Kerckhoff-Van Wijk geleitet.

Das Madawaska Kanu Centre in Barry’s Bay

Die zehnfache kanadische Meisterin und WM-Bronze-Gewinnerin des Kanuslaloms in Portugal bietet hier vor allem Wassersport-Aktivitäten an. Schon am Eingang werden wir freudig auf Deutsch begrüßt. Claudia spricht perfekt Deutsch, denn ihre Eltern, Hermann und Christa Kerkhoff, kommen aus Hamburg und haben hier 1972 am Madawaska River das Resort eröffnet. Die Angebote reichen von Rafting bis hin zum sportlichen Paddeln im Wildwasser. Aber auch Wander- und Radtouren stehen im Programm. Zusätzlich gibt es spezielle Touren für Familien, Frauen und Senioren.

Ontario ist Kanadas zweitgrößte Provinz und mit einer Fläche von über einer Million Quadratkilometern größer als Frankreich und Spanien zusammen. Alleine in der Provinz finden sich 400.000 Seen. Rund ein Sechstel der Fläche ist mit Wasser bedeckt. Da ist es nicht verwunderlich, dass es mehr Wasserwege als Straßen gibt und viele Attraktionen auch nur vom Wasser aus zu bestaunen sind. Daher rät Claudia ihren Gästen zu einem Grundkurs im Paddeln.

Mit dem Kanu den Indian Summer bestaunen

Im "Canoeing 101" lernen wir unter fachkundiger Anleitung unseres Lehrers Ian in zwei Stunden die wichtigsten Techniken und Regeln. Danach paddeln wir gemütlich über den Madawaska River und bestaunen die bunte Pracht des "Indian Summer" vom Wasser aus. Spätestens jetzt hat man das Gefühl, in Kanadas Naturparadies angekommen zu sein, und versteht, warum die Augen von Claudia so leuchten, wenn sie von ihren Touren mit den Booten erzählt.

Am nächsten Morgen führt die Reise weiter in den Algonquin Provincial Park. Er ist einer der größten Parks der Provinz und gleichzeitig der älteste in Ontario. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1993 zeigt das Algonquin Visitor Centre in beeindruckenden Ausstellungen die Geschichte von Mensch und Natur im Park. Hier gibt es einen Buchshop, ein Restaurant und eine Aussichtsplattform, von der man einen tollen Rundumblick genießen kann. Im Park finden die Besucher auf 7725 Quadratkilometern eine kaum berührte Landschaft mit weiten Wäldern, Hunderten von Seen und Flüssen.

Im Algonquin Provincial Park gibt es viele Kanu- und Wanderrouten

Die klaren Gewässer, die dichten Wälder und der reiche Wildtierbestand verkörpern Kanada schlechthin: Auf Paddler warten dort mehr als 1600 Kilometer Kanurouten. Die schönsten Kanu-Trails beginnen auf dem Canoe Lake. Ein absolutes Highlight ist die Rundtour durch Teepee Lake, Tom Thomson Lake, McIntosh Lake, White Trout, Big Trout und zurück zum Canoe Lake. Bei Algonquin Outfitters, dem ältesten Ausrüster der Gegend, kann man nicht nur geführte Kanuwanderungen buchen, sondern auch das dafür notwendige Equipment für einen Trip auf eigene Faust ausleihen.

Innerhalb des Algonquin Provincial Parks gibt es neben den Kanurouten auch zahlreiche Wanderwege für jedermann – angefangen bei Spaziergängen bis hin zu tagelangen Wanderungen. Und überall leuchtet das Laub in den schönsten Farbtönen. Die unzähligen Laubbäume schmücken sich in Rot, Gelb, Orange und Ocker – mit dem heimischen Herbst hat das jedoch nur wenig gemein. Der Grund: In Europa wachsen rund 50 verschiedene Baumarten, im Osten Kanadas sind es rund 800 unterschiedliche Hölzer, die zu diesem unvergesslichen Farbenmeer verschmelzen. Es fällt schwer, sich auf den Weg zu konzentrieren, da der Blick unwillkürlich nach oben wandert.

Auch die Tierwelt scheint von dieser Pracht angelockt zu werden. Biber, Wölfe, Elche und sogar Schwarzbären zeigen wenig Scheu und lassen sich im Park zu dieser Zeit beobachten.

Die Schönheit von Algonquin kann auch mit dem Rad erkundet werden. Entlang des Highway 60 gibt es zwei Radwanderwege, den Minnesing Mountain Bike Trail und den Old Railway Bike Trail. Hier finden sich insgesamt acht Campingplätze mit Stellplätzen für Wohnmobile. Besonders schön ist Arowhon Pines mit seinem Restaurant in Tipi-Form, das Rundzelt der nordamerikanischen Indianer. Das traditionsreiche Resort liegt idyllisch und ruhig am Little Joe Lake.

Pilzzucht, Huskys und Elche im Haliburton Forest

Ein weiterer Deutscher, den es nach Kanada verschlagen hat, ist Peter Schleifenbaum. Er erbte mit acht Jahren von seinem Vater ein "Stückchen" Wald in Kanada, das halb so groß ist wie Berlin. Insgesamt 40.000 Hektar mit 60 Seen, 350 Stellplätzen für Wohnmobile und Zelte nennt er sein Eigen. Der 53-Jährige wanderte vor knapp 30 Jahren aus Bad Fredeburg im Hochsauerland mit seiner Familie nach Kanada aus, dort gründete er das Haliburton Forest and Wild Life Reserve.

Der Haliburton Forest grenzt südlich an den Algonquin Park und ist über den Highway 118 erreichbar. Das große Naturschutzgebiet finanziert sich heute zu 60 Prozent aus dem Tourismus. Dafür ließ sich der 53-Jährige einiges einfallen. So gibt es neben einer Pilzzucht, den 50 Huskys, Elchen, den vielen Rad- und Wanderwegen auch Wassersportangebote wie Kanufahren, Schwimmen und Fischen. Sogar ein U-Boot gehört Peter Schleifenbaum.

Ein U-Boot in Kanada klingt schon ein bisschen verrückt. "Ziel war es, den Gästen die Unterwasserwelt ein bisschen näher zu bringen, doch das Amt in Ontario stellte sich quer, und daher ist diese Tour für die Besucher im Moment nicht buchbar", erklärt er. Schade, aber im Naturschutzgebiet gibt es auch viel über dem Wasserspiegel zu entdecken.

Wölfe ganz aus der Nähe beobachten

Ein weiteres Highlight ist das Wolfs-Center. Viele Familien kommen nur deshalb hierher. Auf die Frage, wie man auf die Idee kommt, Wölfe zu halten, antwortet der Sauerländer knapp: "Man bekommt sie geschenkt." So entstand auf dem Gelände ein großzügig angelegtes Gehege, in dem die Wölfe leben.

Durch die Scheiben im Gebäude können Alt und Jung die Wölfe aus nächster Nähe betrachten. Einmal pro Woche dürfen Besucher einem ganz besonderen Ereignis beiwohnen. Dabei geht es in der Dunkelheit in den Wald, dort imitiert der 53-Jährige den Ruf eines Alpha-Tiers. Einige Zeit passiert nichts, aber dann erschallt das Heulen der Wölfe aus allen Richtungen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Auf seine Frage, wie viele Tiere es wohl seien, antworte ich beeindruckt: sicher über 60. "Nein, es sind nur acht Wölfe. Die können jedoch die Stimmlagen so verändern, dass es sich nach weitaus mehr Tieren anhört. So schützen sie ihr Gebiet vor Eindringlingen", erklärt er.

Von den Wölfen geht es in die Wipfel, zum größten Baumwipfelpfad Kanadas. Zunächst setzen wir mit dem Kanu über einen See. Am anderen Ufer angekommen führen schmale Holzbretter einen halben Kilometer lang in zehn bis zwanzig Metern Höhe an den Baumkronen vorbei. Die Sonne spiegelt sich auf dem See und die Blätter leuchten in den schönsten Gelb- und Rotnuancen. Auch wenn mich beim Anblick der Bretter ein mulmiges Gefühl begleitete, der Spaziergang wurde zu einem ganz besonderen und unvergesslichen Erlebnis – so wie der ganze Indian Summer.

Touristische Informationen

Anreise: Flugverbindungen nach Ottawa oder Toronto werden täglich mit Air Canada ab 599 Euro angeboten. Infos: www.aircanada.com/de

Einreise: Bundesbürger benötigen einen Reisepass, der noch mindestens drei Monate gültig sein muss. Zusätzlich ist ab Oktober 2016 die Einreise nur noch mit gültiger Electronic Travel Authorization (eTA) möglich. Wer den eTA-Antrag stellen möchte, kann dies ganz einfach selbst erledigen. Infos unter: www.canada.ca/eTA

Wohnmobilangebote: Zum Indian Summer 2017 bietet der Veranstalter CANUSA 13 Tage Wohnmobilmiete inkl. 1500 Kilometer, Fahrzeug- und Campingausstattung, Versicherungen sowie ein Infopaket mit Reiseführer, Rucksack und Steckdosenadapter zum Preis ab 369 Euro pro Person bei Doppelbelegung an (www.canusa.de). Informationen zu Campertouren in Kanada bietet das ACE Reisebüro unter Tel. 0711 530 36 78.

Sehenswert: Canadian Canoe Museum in Peterborough. Tausende Jahre kanadische Geschichte und die bedeutsame Rolle des Kanus werden in diesem Museum zum Leben erweckt. www.canoemuseum.ca.
Algonquin Park: www.algonquinpark.on.ca

Weitere Informationen gibt es unter www.ontariotravel.net/de und www.canada.ca. Informationen zur Canadian Canoe Route, Kanu-Touren und Madawaska Kanu Centre von Claudia Kerckhoff-Van Wijk sind unter www.owl-mkc.ca zu finden. Noch mehr Informationen zum Wald- und Naturreservat Haliburton Forest von Peter Schleifenbaum gibt‘s auf seiner Website: www.haliburtonforest.com