25.02.2020

Klimaschutz – Mit Schuldgefühl am Traumstrand?

Passagiere können den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Flugreisen mit Spenden ausgleichen. Hilft das dem Klima oder beschwichtigt es nur das schlechte Gewissen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Kann ein Thema unwichtig sein, zu dem sich der Papst äußert? Die CO2-Kompensation von Flugreisen sei scheinheilig, eine Heuchelei, wenn Passagiere Geld bezahlten, um den Kohlendioxid-Ausstoß während ihrer Flugreise auszugleichen, befand Franziskus im Jahr 2017. Doch es gibt auch Befürworter. Deren Tenor: Für den CO2-Ausstoß zu spenden, sei besser als gar nichts. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie schädlich ist das Fliegen?

Wie schädlich das Fliegen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln ist, zeigt ein Beispiel: So verursacht ein Flug von Deutschland auf die Kanarischen Inseln und zurück pro Person einen Ausstoß von rund 1,8 Tonnen CO2, schreibt das Umweltbundesamt (UBA) auf seiner Website. „Mit einem vollbesetzten Mittelklassewagen könnten Sie dafür rund 45.000 Kilometer weit fahren.“ Wer sich in den Flieger nach Australien setzt, flutet sein CO2-Konto regelrecht. Fast elf Tonnen fallen für Hin- und Rückflug an – in etwa so viel, wie ein Bundesbürger im Durchschnitt über das ganze Jahr durch seinen Lebensstil zu verantworten hat. Und ohnehin ist das viel zu viel. Denn verhielte man sich klimaverträglich, dürften es maximal zwei Tonnen CO2 sein, so der Richtwert des Weltklimarats IPCC. Mit einem Urlaub in Down Under hat man also schon über fünf Mal mehr Emissionen zu verantworten, als es für das Klima auf der Erde über ein ganzes Jahr betrachtet pro Kopf noch in Ordnung ginge.

Was ist CO2-Kompensation?

Die Idee lautet: Was du verbrauchst, sollst du an anderer Stelle wieder einsparen. Grundsätzlich kann das funktionieren, weil es für das Klima nicht entscheidend ist, wo CO2 ausgestoßen oder vermieden wird. Die Emissionen, die ein Flug, aber auch die Fahrt mit dem Auto, das Heizen der Wohnung oder der Fleischkonsum mit sich bringen, können theoretisch also an jedem beliebigen Ort der Erde ausgeglichen werden.

Kann ich bei Fluggesellschaften eine Ausgleichszahlung leisten?

Wer im Internet eine Flugreise bucht, hat bei einigen Airlines die Möglichkeit, ein Häkchen zu setzen und damit für die CO2-Kompensation zu zahlen. Dazu kooperieren sie mit Kompensations-Dienstleistern. In Abhängigkeit von der Flugstrecke wird errechnet, wie hoch die Ausgleichszahlung ausfallen soll. Der freiwillige Ökoaufschlag beträgt in der Regel drei bis fünf Prozent des Flugpreises.

Was berücksichtigen die Fluggesellschaften in der Ausgleichszahlung?

Die Airlines berücksichtigen fast durch die Bank weg nur die reine Kerosinverbrennung. „Die Airlines wie Ryanair, Lufthansa, AirFrance & Co. kompensieren nur den reinen CO2-Ausstoß“, sagt Janosch Menger, Projektmanager bei der Stiftung myclimate Deutschland. Außen vor bleiben Nebeneffekte wie die Emissionen, die beim Bau des Flugzeugs oder dessen Wartung anfallen. So auch bei Easyjet, bei dem die CO2-Kompensation seit kurzem automatisch und ohne Zusatzkosten für den Kunden vonstattengeht: Die britische Airline kündigte Ende vergangenen Jahres an, „die treibstoffverursachten CO2-Emissionen all unserer Flüge“ selbst auszugleichen.

Wo kann ich sonst Ausgleichszahlungen leisten?

Längst nicht alle Airlines servieren die Option zur Schrumpfung des eigenen CO2-Fußabdrucks auf dem Silbertablett. Bei manchen, wie bis vor kurzem bei der Lufthansa, ist sie irgendwo auf der Website versteckt. Auch in den bundesweit 8800 Reisebüros des Verbands QTA ist seit Herbst 2019 bei der Buchung die Zahlung eines Klimaschutzbeitrags möglich. Alternativ können Reisende auch bei den Kompensations-Dienstleistern direkt ihre Klimaspende zahlen. Die Preise für die Tonne CO2 reichen von rund fünf bis 23 Euro – weil sie auf unterschiedliche Weise ermittelt werden.

Was ist in den Zahlungen einberechnet?

So bezieht zum Beispiel myclimate nur die Sitzklasse mit ein, während Marktführer Atmosfair auch den Flugzeugtyp berücksichtigt. Heraus kommen unterschiedliche Beträge: Für den Hin- und Rückflug Berlin–Catania ermittelt der Rechner von myclimate in der Economy 0,614 Tonnen CO2 und 15 Euro Kompensationszahlung; Atmosfair kommt in der gleichen Klasse für den Linienflug auf 0,803 Tonnen und 19 Euro. Weitere Kompensationsportale im Internet sind Klima-Kollekte, Primaklima, Klimamanufaktur und Arktik.

Wo fließt das Geld hin?

Der Klassiker der CO2-Kompensation ist das Bäume-Pflanzen. Doch ist gerade die bekannteste Methode zweifelhaft, denn es dauert eine Weile, bis die Bäume groß sind, und irgendwann verrottet das Holz wieder und gibt dabei das gebundene CO2 wieder ab. Auch vor Bränden oder Abholzungen sind wiederaufgeforstete Wälder nicht gefeit. Besser geeignet sind Projekte, die CO2 direkt einsparen. So kooperiert Atmosfair mit Windkraftprojekten in Südafrika und Nicaragua. myclimate leitet das Geld weiter, damit in Indien Biogasanlagen ermöglicht werden oder die Menschen in Kenia kochen können, ohne dabei Holz verfeuern zu müssen. Allein myclimate unterstützt mehr als 100 Klimaschutzprojekte in mehr als 30 Ländern. Laut Atmosfair sollte darauf geachtet werden, dass Geld nicht in Projekte fließt, die ohnehin realisiert worden wären. Das festzustellen, ist aber nicht einfach. Kontraproduktiv sei es auch, einen Kurzstreckenflug zu kompensieren.

Wie stellt man sicher, dass das Geld ankommt?

Vertrauen schafft, wenn Dienstleister erläutern, was mit der Klimaspende passiert und wie genau durch sie CO2 eingespart wird. Er sollte offenlegen, nach welchen Kriterien er Klimaprojekte auswählt und welche Kontrollmechanismen greifen, damit das Geld nicht veruntreut wird. Das Umweltbundesamt empfiehlt, dass die Projekte zertifiziert sind: Die Standards klären zum Beispiel folgende Fragen: Werden dank einer neuen Windkraftanlage tatsächlich am Ende insgesamt weniger Emissionen ausgestoßen als ohne sie? Zu den strengsten Zertifikaten zählen der Clean Development Mechanism (CDM) der UN, der Verified Carbon Standard (VCS) und der Gold Standard der Umweltschutzorganisation WWF, der neben der CO2-Kompensation soziale Nachhaltigkeit fordert – so soll ein Projekt nicht nur dem Klima nützen, sondern etwa auch Arbeitsplätze schaffen, Arbeitsbedingungen verbessern oder die Gesundheit der Beteiligten fördern. Als Fluggast sollte man darauf achten, dass das unterstützte Projekt regelmäßig von einer unabhängigen Prüforganisation wie dem TÜV auf sein CO2-Einsparpotenzial hin gecheckt wird.

Fazit: Co2-Kompensation ist sinnvoll – aber Alternativen zu Flugreisen haben einen besseren ökologischen Fußabdruck

Wenn eine Flugreise erforderlich ist, um ans Urlaubsziel zu gelangen, ist die CO2-Kompensation besser als gar nichts zu tun. Die Klimaspende an eine zertifizierte Organisation kann sogar von der Steuer abgesetzt werden. Nachhaltigkeit muss nicht mit dem Verzicht auf Flugreisen erkauft sein, denn in den Urlaubsdestinationen können mithilfe der Einnahmen aus dem Tourismus anspruchsvolle Umweltmaßnahmen einen positiven Wert schöpfen. Und Flugpassagiere haben bei der Organisation Atmosfair die Wahl, für welche Projekte sie spenden. Innerdeutsche und europäische Reiseziele sind in aller Regel mit Bus oder Bahn erreichbar. Damit senken Reisende ihren ökologischen Fußabdruck erheblich. Vielleicht hilft ein Perspektivwechsel – Traumstände bietet die Südsee ohne Frage, alternativ sind Ost- und Nordsee ohne Flug ein Traumziel.

ACE Reisebüro

ACE-Reisebüro: CO2-Ausgleich für Urlaubsreisen

Das ACE-Reisebüro gehört zu den größten Mitgliedern innerhalb des QTA-Verbandes (Quality Travel Alliance). Reisekunden können schon beim Buchen ihrer Urlaubsreise erfahren, wie hoch die Spende für einen klimaneutralen Urlaub ausfallen müsste. Das betrifft nicht alleine den Flug, auf Wunsch sind die Berechnungen auch für Hotels, Hochseekreuzfahrten oder Mietwagenreservierungen möglich. Wer sich nicht sofort für eine Spende entscheiden möchte, kann sich von den ACE-Reiseexperten Informationsmaterial per E-Mail zusenden lassen. Das Reisebüro arbeitet mit der Organisation Atmosfair zusammen. Mit den Klimaspenden wird das Projekt „Effiziente Öfen Save80“ in Ruanda unterstützt.

CO2 einsparen im Alltag

Nicht nur Fliegen, auch der Fleischkonsum oder das Heizen trägt zum ökologischen Fußbadruck bei. Das Umweltbundesamt bietet auf seiner Website einen CO2-Rechner an, mit dem man ihn individuell berechnen kann.